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So nah… und doch so fern…

Heute hat mich eine Geschichte berührt, die ich mit Euch teilen möchte.

Der Scheich Qalandar Shah, hat sie in seinem Buch »Asrar-i-Khilwatia« - was übersetzt heißt: » Die Geheimnisse der Wüste«, geschrieben.

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In Ost-Armenien gab es ein kleines Dorf, das durch zwei parallel verlaufende Straßen – die Nordstraße und die Südstraße – geteilt war.

 

Eines Tages kam ein Wanderer in das Dorf. Er ging die Südstraße entlang und kaufte sich an einem Straßenstand ein paar Zwiebeln, um sich zu stärken. Dann bog er in Richtung der Nordstraße ein. Als er diese Straße endlich erreichte, bemerkte ein aufmerksamer Kaufmann Tränen in seinen Augen.

 

»Jemand muss in der Südstraße gestorben sein… «, meinte der Metzger zu dem Stoffverkäufer, »…schau dir den Fremden an. Er kommt von dort und hat Tränen in den Augen…«.

 

Diese Worte hörte ein Kind. Es verstand schon, dass so ein Ereignis, wie Tod, etwas Trauriges ist und fing schrecklich an zu weinen. Bald weinten fast alle Kinder auf der Straße.

Das hat den Wanderer erschreckt, er schmiss die geschälten Zwiebeln weg und lief davon. Inzwischen liefen die beunruhigten Mütter auf die Straße, um nach den weinenden Kindern zu schauen. Auf der Straße trafen sie auf den Metzger, den Stoffverkäufer und viele andere Kaufleute, die gerade zu ihnen gestoßen waren. Alle beweinten diese Tragödie, die die Nachbarn der Südstraße getroffen hat.

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Das Gerücht eilte im Blitztempo über das kleine Dorf. Fast alle der wenigen Bewohner der beiden Straßen, wussten schon, dass es bei den Nachbarn etwas Schreckliches passiert sein musste. Die Erwachsenen gingen vom Schlimmsten aus. Aus Furcht vor dem möglichen großen Ausmaß der Tragödie und um die Situation nicht noch zu verschlimmern, haben sie vorsorglich nicht nach den Details gefragt.

Ein Blinder aus der Südstraße konnte die Situation um sich herum nicht verstehen und frug einen Passanten:

»Warum ergriff das Dorf solch eine tiefe Traurigkeit? Es war doch immer ein Lebensplatz voller Glück…«.

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»Es ist etwas Schreckliches in der Nordstraße passiert«, erzählten die Passanten. »Kinder weinen, die Männer sorgen sich, die Mütter holen ihre Kinder nach Hause und der einzige Wanderer seit langer Zeit, floh mit Tränen in den Augen. Sicher ist in der Nordstraße eine Seuche ausgebrochen…«.

Die Nachricht über eine unbekannte und todbringende Krankheit verbreitete sich, wie ein Blitz, entlang den beiden Straßen. Da der Wanderer von der Südstraße kam, waren sich die Bewohner der Nordstraße sicher, dass das Böse gerade dort seinen Anfang nahm. Noch bevor die Nacht kam, verließen die Bewohner beider Straßen ihre Häuser, um in den Bergen im Westen Zuflucht zu suchen.

Heute, viele Jahrhunderte später, ist das altertümliche Dorf, in dem der Wanderer seine Zwiebeln geschält hatte, immer noch vereinsamt. Doch in der Nähe entstanden zwei neue Dörfer, genannt West-Dorf und Ost-Dorf.

Ihre Bewohner – Nachkommen der Bewohner, die in Panik die Nord- und die Südstraße verließen – reden weiterhin nicht miteinander.

Die Zeit und die Gerüchte, die mit der Zeit zur Legende wurden, bauten unüberwindbare Angstbarrieren auf.

 

Scheich Qalandar Shah sagt: »Der Mensch hat immer die Wahl zwischen zwei Wegen. Er kann, entweder die Quelle der Probleme finden, oder diese durch die eigene Vorstellung so aufzubauschen, dass er die Ursachen seiner Entstehung vergisst, und auch, wie sehr dadurch unser Leben beeinflusst wird. Aber auch, wie es uns von den Menschen trennen kann, die uns geliebt haben.«

 

Es hat mich nachdenklich gemacht… Es ist ein schönes Beispiel für die Notwendigkeit des Perspektivwechsels, durch den ›ersten und den zweiten Blick‹.

 

»Eine Nachricht ist erst dann eine Nachricht, wenn der zweite Blick den ersten Blick bestätigt. « Joseph Pulitzer

 

Ein ungarisch-US-amerikanischer Journalist und Zeitungsverleger, der 1864 in die USA einwanderte, mit Boulevard wie investigativem Journalismus. Er wurde am 10. April 1847 in Makó in Ungarn geboren und starb mit 64 Jahren am 29. Oktober 1911 in Charleston, South Carolina in den Vereinigten Staaten. Sein Geburtstag jährt sich 2019 zum 172. Mal. Mit seinem Nachlass stiftete er den renommierten „Pulitzer-Preis“ für Journalismus.

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