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Dancing In The Rain ...
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Es war ein total verregneter Tag.

Es hörte auch am Abend nicht auf zu regnen. Die Natur freute sich, doch mir schlug es diesmal aufs Gemüt. Der ganze Tag war mit kleineren und größeren Katastrophen gespickt. Sicher. Nicht alles lag am Regen, aber es gibt Tage, da kommen die ganzen Katastrophen auf einen Schlag zusammen. Zum Beispiel gibt es das Phänomen, dass mehrere Haushaltsgeräte an einem Tag ihren Geist aufgeben. Oder Internet samt Telefonie funktioniert nicht, Post hat ausnahmsweise an diesem Tag zu und das Paket wurde ausgerechnet geliefert, als ich im Keller war… Ich habe wirklich viel Verständnis für die Belange der Natur, aber manchmal stoße ich an meine Grenzen. Ich meine, warum muss es auch noch heute und in meiner Gegend regnen? Wäre es woanders, hätte ich vollstes Verständnis… Afrika zum Beispiel, oder der Nachbarort.

»Es ist doch sinnlos, solche Gedankengänge zu produzieren! Es ist wie es ist. Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern die falsche Kleidung… Und es ist doch egal, ob es heute oder morgen regnet. Punkt! «Mein Verstand brachte es auf den Punkt.

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Ich beschloss diesen ›katastrophalen‹ Tag mit einem netten Einkaufsbummel zu neutralisieren. Der Gedanke gefiel mir gut. Endlich kann ich ›gezwungenermaßen‹ das neue Center testen. Nach der Werbung und den Aussagen meiner Bekannten, war das Center das non-plus-ultra der modernen Einkaufstempel der Region. Viele angesagte Geschäfte und Gastronomie lockten mit Angeboten und ließen Prozente um die Wette purzeln.»Ha, mein Tag ist gerettet!! « - dachte ich voller Vorfreude. Doch die hypnotischen Angebote zogen auch Unmengen von anderen Kunden an… Besonders an so einem verregneten Tag hatten viele – zu viele – diese Idee. Man nennt es ›das kollektive Wetter-Flucht-Bewusstsein‹.

 

Nach der großen Rundschau durch die Etagen, um mich erst mal zu orientieren, verlor ich erst recht meine Orientierung und verabschiedete mich komplett von meinem ›Strategieplan‹. Ich ließ mich mit dem Besucherstrom treiben und es trieb mich in ein beliebtes Bekleidungsgeschäft der preisgünstigen skandinavischen Sorte.

Plötzlich war ich mitten in der Wühlzone, unter gefühlten Hunderten Mitkämpferinnen, wobei mich der Strom weiter mitriss. Im vorbeifließen griff ich nach mehreren Kleidungsstücken, um sie am Ende des Stroms in der Kabine anprobieren zu können. Leider hat man nur eine Chance. Bei dem Gedränge stritten sich auch noch die ›Gewinnerinnen‹ des Anprobemarathons in den Kabinen, da manche Kleidungsstücke untereinander unfreiwillig vertauscht wurden, oder sich in andere Umkleidekabinen verflüchtigten. Leichtes Gemetzel um die winzige Unterwäsche in XXS, zwischen einer Elfe und einer Wrastlingkämpferin, war sensationell unterhaltsam. Danach trug der Strom die Verlierer der Umkleidekabinen, an den endlosen Schlangen an den zwei Kassen vorbei und setzte sie wieder vor die Tore des Paradieses ab.

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Erfolglos, abgekämpft,  gestresst und fast resigniert suchte ich nach einer kleinen Oase der stillen Einkehr, doch auch hier gab es endlose Schlangen triumphierender Werbetaschenträgerinnen. Es gab nur dieses einzige Fünfzig-Cent ›Nadelöhr‹ mit der Drehtür, um wieder entspannt und unverklemmt durchatmen zu können. Erfolgreich endlich etwas  Positives erreicht zu haben schaute ich mich nach einem Café um. Im Augenwinkel sah ich einen freiwerdenden Tisch und stürzte mich leidenschaftlich und Kampf erprobt darauf. Plötzlich sah ich wie in ›slow-motion‹ eine Riesenwerbetasche an mir vorbeischwebte, mich fast zu Boden riss und auf dem freien Platz landete… Touchdown!

» Entschuldigung!! Das wollte ich nicht… «, hörte ich die Stimme über mir. Wütend sammelte ich mich und drehte mich um. Vor mir stand ein Mann im bestens passenden Alter und schaute mich lächelnd mit einem Dackelblick an.

 

» Es ist heute wirklich nicht mein Tag… «, sagte ich zu mir und hörte, wie der Mann dasselbe zu sich sagte. Wir schauten uns an und fingen an zu lachen.

 

» Möchte wissen, wer meinen Tag hat und wessen Tag ich hier erlebe…«

 

» Diesen Gedanken hatte ich auch schon. Vielleicht möchten sie mit mir tauschen? «

 

» Nein, vielen Dank. Sie scheinen heute auch nicht gerade das Glück gepachtet zu haben, oder? « Erwiderte ich.

 

» Da haben sie allerdings Recht. Ganzen Tag regnet es und das geht mir aufs Gemüt. Dann dachte ich, dass ich das beworbene Center besuche…«

Wir fingen an zu lachen.

 

» Wie es scheint, sind sie und ich nicht die einzigen mit dieser Idee…! «

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» Dann lassen wir es doch positiv ausgehen. Darf ich sie zum Kaffee einladen? «

 

« Einverstanden. Dann erzählen sie mir von ihren Katastrophen von heute…«

 

Es wurde ein unterhaltsamer Abend der alle Katastrophen des Tages verfliegen ließ.

So können Katastrophen durchaus ein positiver Wendepunkt im Leben zweier Menschen werden…

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