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Über die Bedeutung der Katzen bei der Meditation
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Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Seit eh und je lassen wir uns von Ritualen und Gewohnheiten beherrschen. Manche arteten in Zwänge und Obsessionen aus. Erstaunlicherweise haben es die Menschen selbst erwählt.

Aus gläubiger Unterwerfung, Unwissen, oder weil es eine mentale Hilfe sein sollte. Von Generation zu Generation weiter gegeben, lassen sich heute, der Sinn und die Notwendigkeiten, oft nicht mehr erkennen. Trotzdem üben wir sie weiter aus. Aus Gewohnheit. Schemas, Regeln und Systeme aus vergangenen Zeiten, waren historisch und gesellschaftlich bedingt. Für viele Regeln gibt es heutzutage tatsächlich keinen Grund mehr. Im privaten und beruflichen Bereich kennen wir das auch.

 

Nach meinem Studium und am Anfang meiner beruflichen Laufbahn, arbeitete ich in einer Firma mit familiären Traditionen. So wurde ich mit Regeln und Gewohnheiten konfrontiert, die nicht nur nicht zeitgemäß waren, sondern die Produktivität schmälerten. Auf meine Frage, warum sie das so handhaben, bekam ich die Antwort:› weil wir das schon immer so machen…‹. Die Firma war damals schon über 100 Jahre alt. Jede Bemühung meinerseits manches effektiver zu gestalten, brachte mir den Vorwurf ein ›unreifer Besserwisser‹ zu sein.

Paulo Coelho erwähnt in seinem Buch eine Geschichte aus Japan, die das Dilemma verdeutlicht:

[…]

Ein großer Meister des Zen-Buddhismus, der dem Kloster Mayu Kagi vorstand, hatte eine Katze, die er sehr liebte. Daher hatte er in den Meditationsstunden die Katze immer bei sich.

Eines Tages starb der Meister, der schon sehr alt gewesen war. Sein fortgeschrittenster Schüler trat an seine Stelle.

»Was machen wir mit der Katze? «, fragten die anderen Mönche.

In ehrendem Angedenken an seinen verstorbenen Meister ließ der neue Meister zu, dass die Katze weiterhin an den Unterrichtsstunden teilnahm.

Einige Schüler der benachbarten Klöster bekamen mit, dass in Mayu Kagi, einem der berühmtesten Tempel der Region, eine Katze an den Meditationen teilnahm. Die Geschichte sprach sich herum. Es vergingen viele Jahre. Die Katze starb, doch die Schüler des Klosters waren so an ihre Anwesenheit gewöhnt, dass sie sich eine andere Katze beschafften. Und auch andere Klöster begannen, Katzen zu ihren Meditationen hinzuzuziehen: sie glaubten, die Katze sei der wahre Grund für den Ruhm des Unterrichts in Mayu Kagi, und vergaßen darüber, dass der alte Meister ein hervorragender Lehrer gewesen war.

Eine Generation später tauchten Traktate über die Bedeutung von Katzen bei der Meditation auf. Ein Universitätslehrer entwickelte die von der akademischen Welt anerkannte These, dass Katzen die Fähigkeit besäßen, die Konzentration des Menschen zu erhöhen und negative Energien zu beseitigen.

Und so wurde ein Jahrhundert lang die Katze für einen wesentlichen Bestandteil des Zen-Buddhismus jener Region gehalten.

Bis ein Meister kam, der allergisch gegen Haustierhaare war und Katzen aus seinen täglichen Übungen mit den Schülern verbannte. Da er ein hervorragender Lehrer war, meditierten seine Schüler auch ohne Katze sehr gut.

Und die anderen Klöster, die es leid waren, die vielen Tiere zu ernähren, taten es ihnen nach.

Nicht lange, und es tauchten revolutionäre Thesen mit so aussagekräftigen Titeln auf wie ›Die Bedeutung der Meditation ohne Katze‹, oder ›Wie das Zen-Universum nur mit Geisteskraft und ohne Hilfe von Tieren ins Gleichgewicht gebracht werden kann‹.

 

Ein weiteres Jahrhundert verging, und die Katze verschwand ganz und gar aus dem Zen-Meditationsritual jener Region. Doch es hatte zweihundert Jahre gebraucht, bis alles zur Normalität zurückgekehrt war, weil niemand je gefragt hatte, wie das mit der Katze angefangen hatte.

 

Ein Schriftsteller, der Jahrhunderte später von dieser Geschichte erfuhr, vermerkte in seinem Tagebuch:

 

»Und wie viele von uns wagen in unserem Leben zu fragen: ›Warum muss ich so und so handeln? Und wie viele unnötige ›Katzen‹ schleppen wir in unserem Leben mit, die wir nicht abzuschaffen wagen, weil wir uns weismachen ließen, dass ›Katzen‹ wichtig seien, damit alles richtig laufe. «

[…]

Aus: »Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt«, Paolo Coelho, Diogenes Verlag 2006  Seite 145-147

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