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Die ›pragmatische Hausfrau‹, oder 10 Tipps wie man der Perfektion entkommt ...
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Die Fähigkeit zu urteilen geht immer Hand in Hand mit dem Bedürfnis zu vergleichen.

Seien wir ganz ehrlich, wir können es nicht wissen, ob wir zu alt, zu jung, zu dick, oder zu faul sind, wenn wir keinen Maßstab in Form eines Vergleichsobjekts haben. Man kann sich nicht selbst beurteilen, wenn man sich nicht vergleichen kann.

Die Frage ist nur: ›mit wem oder mit was?‹

Die Unterwerfung der Frau wurde schon vor Jahrzehnten abgeschafft, doch unser Verstand macht uns immer noch gern zu Sklaven der Trends.

Wenn wir eine Software, basierend auf aktuellen Ratgebern, in unseren Kopf downloaden könnten, dann wären wir in der Lage folgendes zu tun:

  • kochen, wie der Chefkoch aller Kochprofis, und zwar glutenfrei,

  • wir wären fürsorgliche, hingebungsvolle Mütter, die einen sicheren Bindungsstil  entwickeln würden, um sich gleichzeitig vor der zukünftigen Bedrohung durch das Empty-Nest-Syndrom zu schützen,

  • wir würden eine Karriere aus Leidenschaft hinlegen, damit das passive Einkommen uns für das ganze weitere Leben gut versorgt,

  • wir würden uns einen Ferrari leisten können, aber wir würden trotzdem Fahrrad fahren, um fit zu bleiben,

  • wir würden leidenschaftlich Böden schrubben, Fenster putzen, Teppiche schamponieren,  und trotzdem lächeln und nach Chanel riechen,

  • wir würden die perfekte Konfektionsgröße haben, ohne jemals eine Diät zu machen,

  • wir würden die Rollen der leidenschaftlichen verführerischen Geliebten, der hingebungsvollen Mutter, der gewissenhaften Mitarbeiterin, und derjenigen die für eigene Bedürfnisse sorgen kann, virtuos kombinieren,

  • man würde uns für die aufopferungsvollen und wohltätigen Taten als eine zweite Mutter Teresa würdigen,

  • unser perfektes Zeitmanagement und Organisation würden uns an die Illusion einer ›Reisenden im Raum und Zeit‹ glauben lassen,

  • wir wären glücklich und könnten die Emotionen von Wut, Schuld und Reue perfekt  beherrschen,

  • wir hätten ein Gesicht so glatt wie das einer 16-Jährigen, wenn wir ausschließlich Kern-Seife, Natron  und Salbeiextrakt verwenden würden…

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Das ist definitiv nicht das Ende der Liste, denn meine Phantasie kommt gerade in Fahrt, aber die innere Stimme des Anstands sagt gerade ›Basta! Genug ...‹

 

Ratschläge nach dem Motto ›Wie soll ich richtig leben?‹ springen uns regelrecht von den TV-Ratgebersendungen, von den Titelblättern der Zeitschriften, SocialMedia und Internet- Plattformen, oder von den Straßenbahn-Werbeflächen, an. Wir bekommen sie ungebeten von Eltern, Freundinnen, Bloggern, Schriftstellern, Redakteuren, Kreativen, Psychologen, Alternativen, Coaches, Mentoren, Facebooker und zufälligen Passanten, sogar dem Papst, ungebeten aufgezwungen. Wir leben in einer Dichotomie, einer Dualität, einer Gegensätzlichkeit des Denkens… Cool, klingt wie eine Krankheit, aber man stirbt nicht daran. Alles ist entweder schwarz oder weiß, und wir streben danach, dass unseres immer Persil-Weiß bleibt. Es ist nicht überraschend, dass bei einem solchen Trend des Strebens nach Perfektion, ein gewisser Widerstandsaufschrei zu hören ist. Carol Pearson schreibt in ihrem Buch ›Unser innerer Held‹, dass wir in die Rolle, dem Archetyp, des Rebellen schlüpfen müssen, um sich von einer Realität zu befreien die uns nicht mehr gefällt. Viele von uns passen nicht mehr in den Rahmen, den uns die Gesellschaft und alle Entwicklungstrends auferlegt haben. Wir dachten, mit uns stimme etwas nicht. Frauen haben es in den letzten Jahren in der Hinsicht nicht leicht gehabt.

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Wer von uns hat nicht schon mal Gedanken wie diese gehabt:

›Gott..., bin ich noch eine gute Mutter?‹, nur, weil wir nicht genug Zeit mit unseren Kindern verbringen,

›… Ich weiß nichts und kenne mich gar nicht aus …‹, weil wir dachten, wir müssten alles wissen, oder:

›… Ich bin zu nichts zu gebrauche…, nicht mal meinen Mann mache ich noch an ...‹, macht er dich noch an? Oder wie wär‘s damit:

 ›… Ich sollte doch glücklich sein …‹, was uns erst recht noch weiter vom Glück fern hält.

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Mehr als eine von uns hat schon im Stillen rebelliert und gedacht, dass diese Probleme nur sie allein betreffen. Plötzlich ist die ›pragmatische Hausfrau‹, als das Gegenteil der ›perfekten Hausfrau‹, das Heilmittel gegen den jahrelang anerzogenen Perfektionismus. Die ›pragmatische Hausfrau‹ ist keine Rebellin mehr, sondern ein Archetypus, und ein Leitbild für eine Gemeinschaft von über einer halben Million Menschen. Die ›pragmatische Hausfrau‹ zeigt, dass man nicht perfekt sein muss. Sie legt schon mal die Wäsche freitags hinein in die Waschmaschine und nimmt sie erst samstags heraus, taut seltenst den Kühlschrank ab, bügelt nur, wenn sie muss. Ihr folgen Tausende anderer Frauen, die es satt haben perfekt zu sein und zeigen, dass, wenn man keinen Eiskratzer für gefrorene Autoscheiben zur Hand hat, auch ein Bratenpfannenwender, oder eine CD, zwar zweckentfremdet, diesem Zweck aber sehr tauglich dienen können. Ich habe selbst kürzlich eine CD benutzt. Alpenhorn Konzert war drauf... So verstehe ich Recycling. Oder, dass man Kleidung bügeln kann, während man sie trägt. Auch das ist mir schon mal passiert. Im Außendienst. Es spielt keine Rolle, ob wir unseren Kaffee mit einer Gabel umrühren oder, ob wir unsere Schuhe mit einem Fleischklopfer passend machen. Trockene Geschirrtücher

und Taschentücher habe ich zusammengelegt und unter die Sitzkissen der Küchenbankgelegt – waren stromsparend gebügelt…, nach drei Tagen. Immerhin.

Was macht die ›pragmatische Hausfrau‹ so besonders?

Sie hat einen neuen sozialen Maßstab erschaffen, dem eine riesige Anzahl weiblicher Nachahmer folgt. Das zeigt, wie weit man sich vom Perfektionismus entfernen kann, ohne gesellschaftlichen und kulturellen Schaden zu hinterlassen.

 

Was hat sie erreicht?

Veränderungen im kollektiven Bewusstsein. Oder sogar auch in der kollektiven Unbewusstheit…

Das Problem mit dem Perfektionismus hat einen sozialen und kulturellen Charakter. Die Perfektion ist der Tod jeglicher Entwicklung. Das Ende. Wir leiden unter dem Perfektionismus und dem Streben danach, weil:

  • wir ständig bestrebt sind, eine ›bessere Version von uns selbst‹ zu sein, und uns dabei selbst verleugnen,

  • die kleinsten Ausrutscher plötzlich zu großen werden,

  • die kleinen Aufgaben dadurch einen großen Teil unserer Zeit in Anspruch nehmen,

  • wir nicht mehr wissen, was eine gute Stimmung ist,

  • wir nie entspannen können,

  • wir immer aufräumen, sobald die Gäste gehen, selbst wenn es schon 5 Uhr morgens ist,

  • wir mit unserem Körper, dem Job, der Beziehung, dem Gehalt, unserem Aussehen, unseren Fähigkeiten und Kenntnissen, mit so ziemlich allem, immer unzufrieden sind,

  • wir ständig im Wettbewerb stehen und konkurrieren, auch wenn wir es gar nicht müssen …

Es gibt wahrscheinlich Dutzende weiterer Beispiele und genauso viele, unter denen ich selber gelitten haben. Es machte mich verrückt und führte schlussendlich zu verschiedenen Funktionsstörungen, zwanghaftem Verhalten, beruflichen Burnout, ständigem Aufschieben von Dingen. Ich war trotzdem nie fertiggeworden! Erst Jahre später als ich endlich klüger wurde, konnte ich diesen sozialen Makel des Perfektionismus loswerden. Es lebt sich entspannter, seitdem es nicht mehr nur das eine Modell gibt, mit dem wir uns identifizieren konnten. Es gibt jetzt zwei extreme Modelle - das perfekte und das pragmatische. Zwischen den beiden Extremen kann man einen Konsens finden. Wir können bei der Arbeit perfekt sein, aber in der Küche pragmatisch. Wir können bis mittags schlafen, haben aber die Angewohnheit sich täglich zu bewegen. Wir können mit Nutella sündigen, aber nicht nach zwanzig Uhr. Das ist in Ordnung. Das ist alles machbar.

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Was lehrt uns also die ›pragmatische Hausfrau‹?

Meiner subjektiven Meinung nach, dass wir:

  1. nicht alles kontrollieren müssen, wichtig ist, dass wir es trotzdem irgendwie schaffen was wir uns vornehmen

  2. nicht zu den von den Medien geschaffenen Trends passen müssen

  3. uns  besser auf das, was uns wichtig ist konzentrieren, aber nicht auf alles

  4. keine Zeit mit Blödsinn und Belanglosem verschwenden

  5. auf unkonventionelle Art und Weise kreativ und einfallsreich sind

  6. uns nicht dafür schämen brauchen, wer und was wir sind

  7. uns auf die Ergebnisse konzentrieren, nicht auf die Wege dahin

  8. alle unsere Erfolge feiern und stolz sind auf unsere Leistungen und Errungenschaften

  9. wieder lernen zu entspannen und die Möglichkeiten des Lebens genießen

  10. wissen, dass wir nichts tun MÜSSEN!!

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